Donnerstag, 16. August 2007

Don't Panic!

Es ist unbeschreiblich. Da hat Wizards of the Coast die 4. Edition von Dungeons & Dragons noch nicht einmal wirklich angekündigt, und schon geht landauf, landab das Heulen und Zähneklappern los. Aus diesem Grund gibt es einen kleinen Nachtrag zu dem sehr minimalistischen Eintrag von heute Vormittag, der all die Jammerer auf den Boden der Tatsachen zurückholen soll.



Nur um das für alle weniger am Spielsystem interessierten klarzustellen: Zum Thema D&D 4E gibt es nach wie vor kaum mehr als Gerüchte und sehr vage Andeutungen seitens der Küstenmagier. Trotzdem sieht die Rollenspielgemeinde den Untergang des Abendlandes heraufziehen, der Countdown auf der Wizards-Seite wird als apokalyptische Posaune rezipiert, schon bald, so glauben - nein: wissen - wir alle, wird es vorbei sein mit den guten alten D&D-Runden.

Ich erlaube mir, hier die Fakten wiederzugeben und zu kommentieren, um den Weltuntergangspropheten den Wind aus den Segeln zu nehmen:

1.) 4E will not be a Open Gaming Licensed property

Das sollte nun wirklich niemanden überraschen. Das Experiment d20 System entpuppte sich vor allem für die meisten Drittanbieter von Spielmaterial als gewaltiger Reinfall. Nicht umsonst sind in den Pionierstagen von D&D 3.0 die Verlage wie Pilze aus dem Boden geschossen, die von der kostenlosen Lizenz und dem zugkräftigen Namen D&D profitieren wollten. Als langsam deutlich wurde, dass man zusätzlich zum d20 Logo auch noch vernünftigen Inhalt liefern muss, wenn man sein Produkt an den Mann bringen will, sprangen viele Herausgeber genausoschnell wieder vom d20-Zug ab, wie sie anfangs zugestiegen waren. Das Resultat der ersten d20-Jahre war ernüchternd. Die Flut der Produkte unüberschaubar und Qualität nur vereinzelt zu finden. Nach sieben Jahren d20 System ist die Anzahl der Publisher auf ein übersichtliches Maß geschrumpft, wobei die verbliebenen Verlage konstant durch gutes Spielmaterial auf sich aufmerksam gemacht haben. Und damit kommen wir zum zweiten Teil des oben anzitierten Satzes, der von den Heulsusen gerne unterschlagen wird:

Instead, 3rd party publishers will be able to get licenses to create 4e material from Wizards

Und plötzlich sieht die Welt schon wieder ganz anders aus. Wir können also wohl davon ausgehen, dass wir auch in Zukunft nicht auf Publikationen von Goodman Games, Necromancer Games, Malhavoc Press und Green Ronin verzichten müssen. Sicher bedeutet dies das aus für die ganz kleinen Verlage, was aber nicht unbedingt gleichbedeutend für deren Produkte ist. Die Rollenspiel-Industrie arbeitet im großen Stil mit freischaffenden Autoren, so dass die Zahl der Anbieter kleiner werden dürfte, die Zahl bzw. vor allem die Qualität der Produkte aber hoffentlich nicht. Dem geneigten Fantasy-Kommunisten mag diese Entwicklung sauer aufstoßen, doch sollte er sich vor Augen halten, dass die Zeiten der semiprofessionellen bis hobbyistischen Rollenspielprodukte gerade für das Massensystem D&D schon lange vorbei sind.

The 4th Edition rules emphasize faster game play, offer exciting new character options, and reduce the amount of "prep time" needed to run the game.

Ob man es glaubt oder nicht, auch dieses Statement verführt die Meckerfrösche dazu, das Klagelied des nahenden Untergangs anzustimmen. Da steht im Grunde nur, dass die Regeln kompakter werden sollen und schneller in der Anwendung. Darüber beschweren sich Leute, ohne Spaß. Deswegen auch hier erstmal die symbolische Baldrianwurzel: Ich würde meinen Arsch darauf verwetten, dass man in der 4E in Kampf und Interaktion all die Möglichkeiten haben wird, die wir aus 3.x kennen und schätzen. Dass so manche Regel eine Entschlackungskur durchaus vertragen könnte, hat sich in den letzten Jahren zumindest für mich eindeutig herausgestellt.

Und dann gibt es da natürlich noch des Quärulanten Lieblingsargument: "Das machen die doch nur wegen des Geldes!" Wenn ich diesen Satz lese, weiß ich nicht ob ich lachen oder weinen soll. Wie naiv kann man eigentlich sein? Wizards of the Coast respektive Hasbro sind kapitalistische Wirtschaftsunternehmen, die genau wie alle Unternehmen dieser Art zu einem bestimmten Zweck existieren - und dieser Zweck lautet nunmal schlicht: Gewinnsteigerung. Selbstverständlich war das früher nicht so, selbstverständlich war damals alles besser! Es gab da auch mal einen Verlag, dessen Entscheidungsträger angetrieben wurden von großen Idealen, von der Liebe zum Rollenspiel, und keineswegs von wirtschaftlichen Notwendigkeiten. Dieser Verlag trug den schönen Namen TSR und publiziert inzwischen seltsamerweise überhaupt keine Produkte mehr.

Zusammenfassend kann man nur sagen, dass es immer wieder traurig ist, dass man bei jeder Ankündigung einer neuen Edition eines Rollenspiels mit den gleichen jämmerlichen Plattitüden konfrontiert wird, aber so ist das Leben nunmal. In diesem Sinne zum Abschied ein herzliches "Welcome to the real world!" an alle Heulsusen und Meckerfrösche.

2 Kommentare:

Grimnir hat gesagt…

Stimme Dir weitgehend zu, aber was TSR ("They sue regularly") betrifft: Lorraine Williams war bekanntermaßen stolz darauf, selbst nie gespielt zu haben. "Liebe zum Rollenspiel" war da nicht zu finden. Aus dem Grund taugt TSR als Beispiel für eine idealistische Non-Profit-Organisation eher wenig.

Natürlich handeln alle Firmen profitorientiert. Die prinzipielle Frage ist, ob sie den Gewinn dadurch maximieren wollen, dass sie Qualität liefern (ist m.E. bei WotC der Fall) oder damit, dass sie mit der Dummheit der Kunden rechnen (bestimmte Softwarefirmen scheinen sich nach dem Prinzip zu richten).

Anonym hat gesagt…

Das alle negativ kochen und brodeln, ist nichts neues. Man erinnere sich an das Erscheinen der nWod.
Aber so ganz unberechtigt scheint es nicht zu sein, wenn man einige Statements liest und sich die bisherige Entwicklung ansieht.

WotC schielt wohl neidisch auf Blizzard, denn da zahlen die Kunden monatlich. Das will WotC gerne auch. Daher Dragon/Dungeon tot, ab ins Bezahl-Netz, wichtige Monster nicht mehr im MoKo, und andere "Entwicklungen". Das stimmt die Kundschaft nicht gerade positiv.
D&D ist jetzt schon eins der geldintensivsten Rollenspiele überhaubt.

Sicher soll WotC Geld verdeinen. Doch das sollte bitte mit mehr Qualität begründet sein. Aber danach sieht es nicht aus.
Wenn ich die Kosten mit dem Nutzen vergleiche, frage ich mich warum man noch D&D spielen sollte? Und vorallem, warum auf D&D 4 umsteigen, wo man es anscheinend zum Dauer-Bezahl-Hobby, á la Blizzard entwickeln will?
Nein, danke.

Dabei geht es auch anders. Wenn man nicht zu anderen, sehr guten, Fantasy-Rollenspielen greifen möchte, reichen immer noch 10 € um sich Savage Worlds zu kaufen. Dann läd man sich die kostenlose AD&D Conversion runter und kann spielen. (Und man bekommt dabei auch noch ein besseres System als d20, aber gut, das ist Geschmackssache.)