Montag, 2. Juli 2007

Der Sohn des invertierten Ninjas

Wer die letzten Einträge in diesem Blog verfolgt hat, kann wahrscheinlich mit dem Begriff "Trash Roleplaying" schon etwas anfangen. Heute will ich mich um die Frage kümmern, wie trashig es denn nun wirklich werden darf. Um es gleich vornweg zu nehmen: Man kann alles übertreiben. Mit Trash Roleplaying meine ich deswegen auch das Bewusstsein darüber, dass die im Rollenspiel erzählten Geschichten selten über echten Tiefgang verfügen, was schon durch das meistens fantastische Genre bedingt ist. Trash Roleplaying heißt aber gerade nicht, Tiefgang um jeden Preis zu vermeiden. Es geht darum, die Grenzen des Rollenspiels zu erkennen, und seine Stärken, und sich auf eben diese zu konzentrieren.

Es geht nicht darum, Geschichten zu erzählen die bescheuerter sind als Thunder in Paradise. Ein gutes Beispiel dafür, wo die Trash-Keule viel zu heftig geschwungen wird ist etwa Shadowrun wie man es aus den Büchern kennt. Einerseits ist die sechste Welt ja genau das, was man als "nitty-gritty" bezeichnen würde. Auf der anderen Seite finden wir hier einen überbordenden Cocktail vollkommen schwachsinniger Trashelemente, die bei genauerer Betrachtung ziemlich peinlich sind.

Man denke zum Beispiel an die berühmt-berüchtigten Straßennamen. Im Shadowtalk in den vielen Quellenbüchern werden Runner ja einerseits oft als "Profis" dargestellt ("Benimm dich einfach wie ein verdammter Profi, Chummer!"). Auf der anderen Seite handelt es sich bei diesen "Profis" um offensichtlich postpubertäre Bildungsverweigerer, die sich mit lachhaften Namen wie "Neonsamurai", "Reaperman" oder "Chrome Cowboy" betiteln. Zugegeben - als ich vierzehn war, fand ich das auch noch cool, aber wenn man darüber nachdenkt sind solche Namen nicht dämlich, sondern auch kontraproduktiv. Denn ganz ehrlich - ein erwachsener Mann der sich selbst als "Reaperman" bezeichnet wirkt nicht eben wie die Personifikation der Professionalität. Warum also nennt sich Messerklaue XY nicht schlicht Jack?

"Reaperman" mag ja ein passender Name für den schießwütigen Psychopathen sein, dessen Arsch so heftig verchromt ist, dass man ihn problemlos als Spiegel an die Badezimmerwand nageln könnte. Solche Nervenbündel sollten aber eigentlich doch eher die Ausnahme von der Regel darstellen, wenn man davon ausgeht, dass Mr. Johnson (merkt ihr was?) Profis sucht, die einen heiklen Job diskret erledigen können.

Abgesehen davon, dass derart beknackte Namen nicht unbedingt Professionalität signalisieren, sind sie auch kontraproduktiv wenn es darum geht, den eigenen Schädel aus der Schussbahn zu halten. Mr. Johnson heißt ja auch gerade deswegen Mr. Johnson, weil es grob geschätzt eine Fantastillion gesichtsloser Konzernsklaven gibt, die diesen Namen ihr Eigen nennen. Ähnlich verhält es sich mit Jack dem Straßensamurai. Gehen wir einfach davon aus, dass der Opposition eine Datendisk aus Johnsons Besitz in die Hände fällt. Auf dieser Datendisk befinden sich nun die Termine und Aufgaben von Mr. Johnson. Was klingt wohl verdächtiger:

1) Abendessen mit Jack im Restaurant des "Four Seasons"
2) Besprechung mit Reaperman ebenda

Wieviel leichter hat es die Gegenseite wohl etwas über einen gewissen Reaperman herauszufinden, gerade wenn dieser schon einige Runs auf dem Buckel hat?

Das Fazit des Tages lautet deswegen, dass man nicht absichtlich jegliche Logik über Bord werfen muss, damit es ordentlich trashig wird. Im Normalfall muss man überhaupt nichts besonderes unternehmen, um für den Trashfaktor zu sorgen. Man sollte sich nur nicht der verbreiteten Wahnvorstellung hingeben, man würde in seiner Vampire-Runde eine "verdammt gute Geschichte" erzählen. Stattdessen sollte man den Plot offen halten, damit man ihn gemeinsam während des Spiels gestalten kann und lieber ein wenig mehr Vorbereitung in das stecken, was einen Actionfilm unterhaltsam werden lässt: Donnernde Explosionen, ratternde Maschinengewehre und Verfolgungsjagden mit quietschenden Reifen.